Im konservativ regierten Bayern und ganz besonders in München hat die Moderne in der Weimarer Zeit einen schweren Stand. Im Stadtbild zeigt sich das Neue Bauen allein in den Projekten der Oberpostdirektion München. Deren Bauabteilung ist von der Stadtverwaltung unabhängig und benötigt für ihre Projekte keine baupolizeiliche Genehmigung.^¹ Unter der Leitung von Robert Vorhoelzer entsteht in den Jahren 1928 und 1929 in der Nähe der Oberpostdirektion in der Arnulfstraße eine Versuchssiedlung der Baugenossenschaft des Bayerischen Post- und Telegraphenverbands. Für die Planung, die in Kooperation mit der Reichsforschungsgesellschaft für Wirtschaftlichkeit im Bau- und Wohnungswesen entsteht, ist neben Robert Vorhoelzer, Walther Schmidt, Heinz Schmeißner, Magnus Mayer und Erna Meyer insbesondere Hanna Löv zuständig.^²

Die Wohnanlage setzt sich aus offenen Zeilen zusammen und umfasst 326 Wohneinheiten. Sechs viergeschossige Baukörper, die bis auf einen Rücksprung im Süden dem teils geschwungenen Straßenverlauf folgen, sind durch eingeschossige Zwischenbauten zu einer geschlossenen Hoffigur verbunden, die sowohl Privatheit als auch eine gute Belichtung und Durchlüftung ermöglicht. Zwei eingestellte Riegel gliedern den Innenbereich in einen großen, mittig liegenden Garten und zwei schmale Wirtschaftshöfe zum Wäschetrocknen.

Innerhalb des Bauvorhabens werden unterschiedliche Konstruktionen für Außen- und Innenwände, Decken, Dächer und Terrassen sowie verschiedene Ausbaustandards erprobt. Das Ziel ist die Senkung der Baukosten, um die Mietpreise möglichst gering halten zu können. Die Wohngebäude entstehen in Massiv- oder Skelettbauweise und sind mit Holzbalken- oder Massivdecken sowie mit Sattel- oder Pultdächern ausgestattet. Die zwei Häuser im Hof besitzen ursprünglich zudem Dachterrassen. Als Gegenmodell zur Frankfurter Küche von Margarete Schütte-Lihotzky entsteht für das Projekt die Münchner Küche, die als Wohnküche lediglich durch eine Glaswand vom Essbereich abgetrennt ist. Auf diese Weise soll sie der Hausfrau einen engeren Bezug zum Familienleben ermöglichen. Lange Zeit wird Hanna Lövs Beitrag zur Versuchssiedlung Arnulfstraße allein auf die Münchner Küche reduziert, obwohl ihr deren Konzeption nicht zugeordnet werden kann. Hingegen tragen zahlreiche Pläne zu technischen Details, die von der Kanalisation bis zur Verkabelung reichen, ihre Zeichnungssignatur.^³