Architekt:innen
Roswitha Then Bergh und Rudi Then Bergh
Gebäude
Wohnanlage Kunigundenstraße
Ort
Kunigundenstraße, München
Jahr
1971-1972
Typologie
Wohnen mit Büro

1 Forum Homosexualität München (Hg.): 1999 bis 2009. Zehn Jahre Forum Homosexualität München. Lesben und Schwule in Geschichte und Kultur, Splitter Sonderausgabe, München 2009, S. 71

2 Adressbuchverlagsgesellschaft Ruf (Hg.): Münchner Stadtadressbuch 1955, München 1954, S. 398

3 Roswitha Then Bergh im Gespräch mit Sophia Primig und Johanna Wulff, 27.04.2023

4 TUM Archiv, Personalakt Rudolf Then Bergh

Die Wohnanlage in der Kunigundenstraße ist mit ihren 27 Wohneinheiten das größte und zugleich persönlichste Projekt von Roswitha Then Bergh und Rudi Then Bergh. Nach der Fertigstellung 1972 betreiben sie hier nämlich nicht nur ihr Architekturbüro, sondern ziehen auch mit der Familie ein. Das Grundstück selbst hat eine bewegte Geschichte: In den 1920er-Jahren steht dort das Haus der Bildhauerin und Schriftstellerin Christa Winsloe, das sie mit ihrer Lebenspartnerin Dorothy Thompson bewohnt. Hier ist ein wichtiger Treffpunkt der Münchner Bohème rund um Klaus Mann und Erika Mann zu finden, die im Haus Winsloes ihre spätere Partnerin Therese Giehse kennenlernt.¹

Mitte der 1950er-Jahre geht das Gebäude in den Besitz von Rudi Then Bergh und seinen beiden Brüdern über, in der Folge bewohnte ihre Mutter den 1. Stock.² Gemeinsam entschließen sich die Eigentümer, das Grundstück mit seinem großen Garten neu zu bebauen. Um die Planung und Bauausführung kümmern sich Roswitha Then Bergh und Rudi Then Bergh in alleiniger Verantwortung. Der Münchner Staffelbauordnung folgend, entsteht straßenseitig ein lang gestreckter, vierstöckiger Wohnblock mit Staffelgeschoss und vorgelagerten Dachterrassen auf beiden Seiten. Über einen eingeschossigen Zwischenbau verbunden, wird dahinter ein dreistöckiges Rückgebäude errichtet, dessen oberstes Geschoss ebenfalls zurückversetzt und mit einer Terrasse versehen ist. Die Wohnungen erstrecken sich als Maisonettes teilweise über drei Stockwerke und sind entsprechend der regelmäßigen Stahlbetonschotten gegliedert, die gleich große, nutzungsneutrale Räume ermöglichen.

Inspiriert durch eine Reise nach Paris, ist Roswitha Then Bergh während der Entwurfsphase von der Idee einer möglichst glatt anmutenden Fassade fasziniert, wie sie in der französischen Hauptstadt vielfach zu finden ist.³ Dementsprechend liegen die schwarzen Fensterrahmen in der Kunigundenstraße in einer Ebene mit den weiß lackierten Fassadenblechen und bilden mit den ebenfalls schwarz umfassten Schotten und Geschossdecken ein geometrisches Muster. Dieses wiederum kontrastiert mit den betonierten Vorgartenmauern sowie den hervortretenden Balkonen aus Betonfertigteilen mit den roten Metallgeländern. Deren Gestaltung geht vor allem auf Rudi Then Bergh zurück, der vor dem Studium ein Praktikum bei einem Schlosser absolviert hat. Für die Balkone, Dachterrassen und Treppen entwirft er Geländermodule, in denen Welldrahtgitter von einem Rahmen aus lackiertem Stahlrohr gehalten werden und die im Außenbereich zugleich als Rankhilfe dienen.

Die Wohnanlage Kunigundenstraße steht exemplarisch für die Aufbruchsstimmung in München, die mit der Austragung der Olympischen Spiele 1972 einhergeht: Die Stadt ist eine einzige Baustelle. Ein Mitarbeiter von Rudi und Roswitha Then Bergh fährt täglich zum Olympiagelände, um Handwerker für den Weiterbau des Wohnhauses abzuwerben. Nach der Fertigstellung wählen Then Berghs die Mietparteien selbst aus. Im Innenhof und im Keller werden gemeinsam rauschende Feste gefeiert, zum eingeladenen Bekanntenkreis zählen auch Doris und Ralph Thut. Noch heute wohnen einige Parteien der ersten Generation in dem Haus, das mittlerweile in Eigentumswohnungen aufgeteilt ist. Bei notwendigen Reparaturen und Veränderungen wird Roswitha Then Bergh nach wie vor mit einbezogen.

Lageplan

Ansicht Straße

Blick in den Garten, Wohnanlage Kunigunden- straße 1972, R.+R. Then Bergh, Foto: Jana Hartmann, 2023

Erdgeschoss

Obergeschoss 1

Obergeschoss 2

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Wohnungsgrundriss

Blick auf die Dachterrassen, Wohnanlage Kunigundenstraße 1972, R.+R. Then Bergh, Foto: Roswitha Then Bergh

Blick auf die Balkone, Wohnanlage Kunigun- denstraße 1972, R.+R. Then Bergh, Foto: Roswitha Then Bergh

Blick auf die Dachterrassen, Wohnanlage Kunigundenstraße 1972, R.+R. Then Bergh, Foto: Roswitha Then Bergh

Blick auf die Balkone, Wohnanlage Kunigun- denstraße 1972, R.+R. Then Bergh, Foto: Roswitha Then Bergh

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Schnitt

Treppenraum, Wohnanlage Kunigundenstraße 1972, R.+R. Then Bergh, Foto: Sophia Primig, 2023

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