Architekt:innen
Hanna Löv und Carl Jäger
Gebäude
Stockwerksiedlung Walchenseeplatz
Ort
Walchenseeplatz, München
Jahr
1928-1930
Typologie
Wohnen

1 Laura Altmann: Regierungsbaumeisterin in Deutschland - Die Architektin Hanna Löv (1901-1995), Birkhäuser Verlag, Basel 2021, S. 98 f.

2 Architekturmuseum der TUM, Nachlass Hanna Löv, Planblätter zur Großsiedlung Walchenseeplatz (loev-67)

3 Sabine Klotz: Fritz Landauer (1883–1968) - Leben und Werk eines jüdischen Architekten, Schriften des Architekturmuseums Schwaben, Band 6, Dietrich Reimer Verlag, Berlin 2001, S. 92

Die Stockwerksiedlung am Walchenseeplatz, die bis 1930 unter Federführung der neugegründeten, kommunalen Wohnungsbaugesellschaft GEWOFAG entsteht, zählt zu den wenigen Projekten, die Hanna Löv unabhängig von einer Anstellung realisieren kann. 1928 gewinnt sie mit ihrem Entwurf den ersten Preis in einem von der Stadt München ausgeschriebenen Ideenwettbewerb. Gefordert ist die Planung einer Siedlung im Stadtteil Giesing zwischen Tegernseer Landstraße, Ostfriedhof und Giesinger Bahnhof.¹ Ausgehend vom zentralen, rechteckigen Walchenseeplatz als einer großen Grünfläche, legt Hanna Löv den viergeschossigen Zeilenbauten ein Rastermaß zugrunde. Mit ihren Längsseiten nach Nordwesten und Südosten orientiert, sind alle Riegel annähernd gleich groß. Die Bauten, die an der Hauptverkehrsstraße liegen, sind durch eine Randbebauung aus eingeschossigen Ladeneinheiten und Werkstätten miteinander verbunden. Zwischen den Zeilen entstehen geschützte, ruhige Innenhöfe.²

Hanna Lövs Entwurf beruht auf einer engen Verknüpfung von Wohnungs- und Städtebau. Bereits bei der Erschließung des Geländes, der Aufteilung der Baublöcke und der Straßenplanung denkt sie die Grundrisse jeder Wohnung mit und legt großen Wert auf die optimale Lage und Ausrichtung der einzelnen Räume. Eine gleichmäßige Belichtung und Belüftung aller Wohnbereiche und insbesondere auch der Küchen und Bäder ist ein zentrales Anliegen. Die Herausforderung liegt dabei in der Entwicklung von wohnlichen Grundrisslösungen bei gleichzeitiger Sparsamkeit und Effizienz. Flure werden verkleinert, Durchgangszimmer vermieden und die Raumhöhe der Wohnungen begrenzt. Trotzdem wird großer Wert auf eine qualitätvolle Bauausführung und einen hohen technischen Standard gelegt. Jede Wohnung verfügt über ein eigenes Badezimmer, für die Waschräume kann Hanna Löv sogar eine Mindestgröße festsetzen.

Aufgrund ihrer Anstellung bei der Oberpostdirektion muss Hanna Löv die künstlerische Oberleitung für das Projekt an den freien Architekten Prof. Carl Jäger abgeben. Beide erhalten laut Vertrag jedoch den gleichen Lohn für die gemeinsame Ausarbeitung des Wettbewerbsentwurfs. Die Detailplanung und Bauausführung der einzelnen Wohnkomplexe wird im Zuge eines Arbeitsbeschaffungsprogramms unter verschieden Münchner Architekturbüros aufgeteilt.³ Trotz des engen Kostenrahmens zeichnen sich die Fassaden deshalb durch eine große Vielfalt aus. Bestimmt sind sie durch aufwendige Sgraffitomalereien, individuell ausgearbeitete Eingangsportale, unterschiedliche Formate der Fenster in den Treppenhausachsen und über Eck reichende Fensterbänder. Formal kommt die Siedlung damit kaum an die moderne Nüchternheit heran, die charakteristisch für die Bauten der Oberpostdirektion und auch in der gleichzeitig entstandenen Postversuchssiedlung Arnulfstraße zu finden ist. In ihrer funktionalistischen Konzeption nimmt die Stockwerksiedlung am Walchenseeplatz jedoch eine Vorreiterinnenrolle ein und zählt zu den wenigen Münchener Beispielen, in denen die Ideen des Neuen Bauens Eingang in ein kommunales Bauprojekt finden.

Lageplan

Fensterdetail, Stockwerksiedlung Walchenseeplatz 1930, Hanna Löv und Carl Jäger, Foto: Valentin Schier 2023

Grundriss Wohnung Typ 1

Grundriss Wohnung Typ 2

Grundriss Wohnung Typ 3

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Durchgang, Stockwerksiedlung Walchenseeplatz 1930, Hanna Löv und Carl Jäger, Foto: unbekannt, Quelle: Archi- tekturmuseum der TUM, Signatur: loev-67-1002

Fassaden, Stockwerksiedlung Walchenseeplatz 1930, Hanna Löv und Carl Jäger, Foto: unbekannt, Quelle: Architekturmuseum der TUM, Signatur: loev-67-1006

Durchgang, Stockwerksiedlung Walchenseeplatz 1930, Hanna Löv und Carl Jäger, Foto: unbekannt, Quelle: Archi- tekturmuseum der TUM, Signatur: loev-67-1002

Fassaden, Stockwerksiedlung Walchenseeplatz 1930, Hanna Löv und Carl Jäger, Foto: unbekannt, Quelle: Architekturmuseum der TUM, Signatur: loev-67-1006

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Ansicht Deissenhoferstraße

Ansicht Ladenzeilen

Hauseingänge, Stockwerksiedlung Walchenseeplatz 1930, Hanna Löv und Carl Jäger, Foto: Valentin Schier 2023

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