Architekt:innen
Doris Thut und Ralph Thut
Gebäude
Wohnhaus Neubiberger Straße
Ort
Neubibergerstraße, München
Jahr
1975-1978
Typologie
Wohnen mit Büro

1 Markus Lanz: Wohnen ohne Standards - Wohnhaus München-Perlach, in: Olaf Bahner, Matthias Böttger (Hg.): Neue Standards - Zehn Thesen zum Wohnen, jovis Verlag, Berlin 2016, S. 22-30

2 Doris Thut im Gespräch mit Zoe Kleinbongartz, Jonathan Hoff, Alberto Franchini und Davide Carnevale, 17.12.2022

3 Doris Thut, Ralph Thut: Werkbericht, in: Wilhelm Meyer, Wolfgang Schneider, Peter Schweger (Hg.): Architekturkonzepte der Gegenwart – Architekten berichten, Kohlhammer Verlag, Stuttgart 1983, S. 211 ff.

4 Johanna Schmidt-Grohe: Alternatives Bauen in München, in: Werk, Bauen + Wohnen, Werk AG, Zürich 1982, S. 48

Mit Abschluss des Projektes Wohnanlage Genter Straße gründen Doris Thut und Ralph Thut 1972 ihr eigenes Architekturbüro in München. Über Kontakte vor Ort verfügen sie jedoch kaum. Inspiriert von einer Reise in die Vereinigten Staaten entschließen sie sich deshalb gemeinsam mit einer Baugruppe ein eigenes Wohnprojekt zu realisieren. Nach langwieriger Suche gelangt die Gruppe 1975 an ein Grundstück in der Neubiberger Straße in München-Perlach, das in Erbpacht vergeben wird. Der Bau beruht auf einer Holzskelettkonstruktion mit geschraubten Stahlverbindungen, die Zwischenräume werden mit Mineralwolle gedämmt. Innen erfolgt die Verkleidung mit Gipskartonplatten, von außen mit einer Holzschalung. Dafür entwickeln Doris und Ralph Thut ein Konstruktionssystem, das größtenteils im Selbstbau und mit geringem Materialeinsatz realisiert werden kann. Nur das Grundgerüst wird mit Hilfe einer Firma errichtet, alle weiteren Schritte erfolgen im Selbstbau. Besondere Anforderungen an Konstruktion und Materialwahl ergeben sich aus der Prämisse, dass auch handwerklich wenig geübte Mitglieder der Gruppe die Möglichkeit bekommen sollen, am Bau mitzuwirken. Sämtliche Standards werden von Doris Thut und Ralf Thut hinterfragt und die Komplexität der Details auf ein Minimum reduziert. Die Baustoffe werden als Meterware im Baumarkt eingekauft. Das Ziel ist nicht nur die notwendige Kostensenkung, sondern auch das Zusammenwachsen der Baugruppe auf der Baustelle und die Identifikation mit dem Projekt.¹

Auch das Wohnkonzept erarbeiten alle sechs Parteien gemeinsam. Doris Thut und Ralph Thut fertigen ein Standardbuch an, das alle Baudetails geordnet nach Anwendung, Kombinationsmöglichkeiten und Kosten beinhaltet und den sechs Parteien zur individuellen Planung ihrer Wohnungen dient.² Dabei bietet das Konstruktionsraster unterschiedliche Spannweiten, um entsprechend den spezifischen Bedürfnissen verschiedene Wohnungsgrößen zu ermöglichen.

Der Grundriss spiegelt den Versuch wider, die Vorteile des gemeinschaftlichen Wohnens mit dem Bedürfnis nach Privatheit in Einklang zu bringen.³ Aufgereiht in einem zweigeschossigen Riegel, entstehen sechs autarke Wohneinheiten, denen im Süden ein gläserner Anbau als Gemeinschaftszone vorgelagert ist. Im Winter dient er der passiven Sonnenenergienutzung, im Sommer kann die warme Luft durch Lüftungsklappen abfließen. In den Obergeschossen, die über eine Außentreppe zum Teil separat erreicht werden können, verfügt jede Wohnung außerdem über eine private Terrasse, die aufgrund der Vor- und Rücksprünge der Fassade nicht einsehbar ist. Das Raumprogramm ist in allen Einheiten ähnlich.

So befinden sich im Erdgeschoss die Küche, der Wohnbereich und in der Regel ein weiteres Zimmer, das Obergeschoss umfasst die Schlafzimmer und das Bad. Indem sie den verschiedenen Bedürfnissen der Parteien folgen, unterscheiden sich die sechs Wohnungen allerdings in der Grundrissgestaltung. 1979, ein Jahr nach der Fertigstellung, erhalten Doris Thut und Ralph Thut für das Projekt, mit dem sie Pionierarbeit im gemeinschaftlich und ökologisch orientierten Bauen leisten, den Deutschen Architekturpreis.

Lageplan

Eingangssituation, Neubiberger Straße 1978, D.+R. Thut, Foto: Johanna Illig, 2023

Erdgeschoss

Obergeschoss

Erdgeschoss

Obergeschoss

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Ansicht Nord

Ansicht Ost

Blick auf die vorgelagerten Wintergärten, Neubiberger Straße 1978, D.+R. Thut, Foto: Zora Syren, 2023

Schnitt

Wohnraum, Neubiberger Straße 1978, D.+R. Thut, Foto: Johanna Illig, 2023

Detail Eingang, Neubiberger Straße 1978, D.+R. Thut, Foto: Zora Syren, 2023

Ausschnitt Fassade Nordseite, Neubiberger Straße 1978, D.+R. Thut, Foto: Zora Syren, 2023

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