Helga Schnierle
Studium | 1946–1950 Technische Hochschule München |
Mitarbeit | 1950–1951 Architekturbüro Godehard Schwethelm |
Gründung | 1953 Dipl.-Ing. Architekten Adolf und Helga Schnierle / Schnierle und Schnierle |
Bürpartner | Adolf Schnierle |
1 Personalbogen von Helga Schnierle beim BDA Bayern
2 Christa Schuster, langjährige Nachbarin und Freundin von Helga Schnierle, im Gespräch mit Doris Hallama, Jana Hartmann, Marcus Simonet und Zora Syren, 05.07.2023
3 TUM Archiv, Studienakte Helga Kranz
4 Architekturfakultät der TU München (Hg.): Fred Angerer – Architekt, Städtebauer, Hochschullehrer, Eigenverlag, München 2010, S. 16
5 Andreas Hlawaczek, ehemaliger Büromitarbeiter, im Gespräch mit Elizabeth Heinze, Laura Back, Paula Munz, Marcus Simonet und Hanna Panschar, 2003
Helga Schnierle wird 1924 als Helga Kranz in Berlin geboren. Da ihr Vater Bauingenieur und Berufsoffizier in einer Pioniereinheit ist, sind es mehrere Wohnort- und Schulwechsel, die ihre Kindheit prägen.¹ Das strenge Elternhaus spiegelt sich laut einstigen Wegbegleiterinnen auch in ihrer Persönlichkeit wider, die als äußerst zurückhaltend und zugleich als sehr beherrscht beschrieben wird.² Nach dem Abitur an der Pestalozzi-Oberschule für Mädchen in Berlin-Lichtenberg 1943 möchte sie Kunstgeschichte studieren. Zunächst jedoch muss Helga Kranz, die aufgrund einer zurückliegenden schweren Operation vom Reichsarbeitsdienst befreit ist, den studentischen Ausgleichsdienst als Truppenhelferin ableisten. Kurz vor Kriegsende erhält sie die Nachricht, dass ihr Vater bei Karlsruhe gefallen ist. Helga Kranz und ihre Mutter fliehen vor dem Kriegsgeschehen in Berlin aufs Land in die Nähe von Erfurt und dann über Würzburg weiter nach München, wo sie schließlich im September 1945 ankommen. Hier findet Helga Kranz eine Stelle als Blumenzeichnerin beim Bildkunstverlag Gerhard Tacke und lebt zusammen mit ihrer Mutter in der Borstei in der Dachauer Straße 142.
Zum Wintersemester 1946/1947 beginnt Helga Kranz schließlich ein Architekturstudium an der Technischen Hochschule München, das sie 1950 mit dem Diplom abschließt.³ Anschließend arbeitet sie für ein Jahr im Büro von Godehard Schwethelm. 1951 heiratet sie Adolf Schnierle, den sie während des Studiums kennenlernt. Gemeinsam arbeiten sie freiberuflich an ersten Projekten und gründen 1953 ein eigenes Architekturbüro, das zunächst in einer alten Garage im Hinterhof der Borstei untergebracht ist.⁴ Grundlage für die Bürogründung ist der Wettbewerbsgewinn zum Bau eines Schulzentrums mit Kindergarten und Kinderhort am Harthof. 1956 folgt in Zusammenarbeit mit Fred Angerer die Schulanlage Neufriedenheim, zu der das heutige Erasmus-Grasser-Gymnasium sowie das Ludwigsgymnasium gehören.
Mit der Geburt des gemeinsamen Sohnes reduziert sich die Mitarbeit Helga Schnierles im Entwurfsprozess auf einzelne ausgewählte Projekte. Neben dem eigenen Haus am Gänsebühel 11 in München-Obermenzing, in das Familie und Büro 1963 ziehen, ist es insbesondere das direkt gegenüberliegende Wohnhaus Pläntschweg, das sie komplett allein entwirft. Helga Schnierle gilt unter den Mitarbeitenden des Büros als sehr genau und akkurat arbeitende Architektin, die bei jedem Projekt nach Perfektion strebt.⁵ Ihrem großen Talent zum Trotz wird sie als sehr bescheiden beschrieben. Es heißt, dass Helga Schnierle nicht viel über ihre Arbeit redet und stets im Hintergrund ihres Mannes bleibt, dem sie im Haushalt und bei administrativen Aufgaben im Büro den Rücken freihält.
1984 wird Helga Schnierle und Adolf Schnierle für ihr gemeinsames Engagement bei der Einrichtung der Internationalen Jugendbibliothek im Schloss Blutenburg der Jella-Lepman-Ehrenring verliehen. 1994 stirbt Adolf Schnierle. Helga Schnierle verkauft das Haus in Obermenzing und verbringt ihren Lebensabend in der Wohnanlage Orpheus und Eurydike in München-Schwabing. Sie stirbt 2015 im Alter von 90 Jahren in München.
Architekturbüro „Dipl. Ing. Architekten Adolf und Helga Schnierle“ mit (von links nach rechts): S.Kruppa, B. Lindner, G.Höfle, H. Schnierle, A. Schnierle, T. Skrzeszewski, P. Lanzinger, Foto: unbekannt, Quelle: Andreas Hlawaczek

WERKLISTE
1953–1954
Kindergarten und Kinderhort am Harthof mit Adolf Schnierle, Fritz Florin, München
1953–1959
Schule am Harthof
mit Adolf Schnierle, Fritz Florin, München
1956–1959
Schulanlage Neufriedenheim
mit Adolf Schnierle, Fred Angerer, Landbauamt München, München
1962–1963
Wohnhaus und Büro Schnierle
mit Adolf Schnierle, München-Obermenzing
1962–1963
Wohnhaus Pläntschweg, München-Obermenzing
1967–1968
Kirche und Pfarrzentrum St. Johannes Evangelist mit Adolf Schnierle, München
1969–1970
Pelzhaus Rieger
mit Adolf Schnierle, München
1971–1973
Wohnanlage Reschenbachstraße mit Adolf Schnierle, Karlsfeld
1973–1976
Bundesmonopolverwaltung für Branntwein
mit Adolf Schnierle, Finanzbauverwaltung München, München
1973–1978
Erweiterungsbau Erasmus-Grasser-Gymnasium mit Adolf Schnierle, München
1974–1976
Pfarrzentrum St. Johann Baptist mit Adolf Schnierle, Ismaning
1978
Kirche Heilige Dreifaltigkeit
mit Adolf Schnierle, Schwanstetten
1978–1983
Umbau Schloss Blutenburg mit Adolf Schnierle, München
1983–1985
Pfarramt St. Rita
mit Adolf Schnierle, München-Bogenhausen
1983–1985
Umbau Inselmühle
mit Adolf Schnierle, München-Untermenzing
1985–1993
St. Stephan
mit Adolf Schnierle, Putzbrunn
Die Auswahl beruht auf den vorhandenen Projekten im Archiv des Architekturmuseums der TU München.